Mietrecht – Rückzahlung der Kaution: Aufrechnung des Vermieters mit Barkaution nach Beendigung des Mietverhältnisses ist auch mit verjährten Ansprüchen möglich, BGH, Urteil vom 10. Juli 2024, Az. VIII ZR 184/23
Sachverhalt
Die Klägerin war bis zum 8. November 2019 Mieterin einer Wohnung und verlangte nach Beendigung des Mietverhältnisses die Rückzahlung der bei Mietbeginn geleisteten Barkaution in Höhe von 785,51 €. Der Beklagte, der als Erbe in das Mietverhältnis eingetreten war, lehnte die Rückzahlung ab, da er Schadensersatzansprüche wegen Beschädigungen an der Mietsache geltend machte. Er behauptete, diese Ansprüche würden die Höhe der Kaution übersteigen, und erklärte mit diesen Ansprüchen die Aufrechnung.
Der Beklagte behauptete, bereits mit einem Schreiben vom 26. Februar 2020 über die Kaution abgerechnet zu haben, doch blieb der Zugang dieses Schreibens bei der Klägerin umstritten. In einem weiteren Schreiben vom 20. Mai 2020 rechnete der Beklagte erneut über die Kaution ab und erklärte die Aufrechnung mit seinen Schadensersatzansprüchen.
Die Vorinstanzen, das Amtsgericht und das Landgericht, entschieden zugunsten der Klägerin. Sie wiesen die Aufrechnung des Beklagten mit der Begründung zurück, dass die Schadensersatzansprüche aufgrund der kurzen Verjährungsfrist nach § 548 BGB verjährt seien. Der Beklagte legte gegen diese Entscheidung Revision beim Bundesgerichtshof ein.
Entscheidungsgründe
Der Bundesgerichtshof hob das Urteil des Berufungsgerichts auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.
Das Berufungsgericht hatte entschieden, dass der Beklagte wegen der Verjährung seiner Schadensersatzansprüche nach § 548 Abs. 1 BGB nicht aufrechnen könne. Nach dieser Vorschrift verjähren Ansprüche des Vermieters wegen Beschädigungen der Mietsache in einer kurzen Frist von sechs Monaten ab Rückgabe der Mietsache. Im vorliegenden Fall begann die Verjährungsfrist mit der Rückgabe der Wohnung am 8. November 2019 und endete somit im Mai 2020. Da die Schadensersatzforderungen des Beklagten erst mit dem Schreiben vom 20. Mai 2020 geltend gemacht wurden, war die Verjährungsfrist bereits abgelaufen.
Der Bundesgerichtshof stellte jedoch fest, dass § 215 BGB eine wichtige Ausnahme von der Verjährungsregel darstellt. Nach dieser Norm schließt die Verjährung die Aufrechnung nicht aus, wenn der Gegenanspruch in dem Zeitpunkt, in dem erstmals hätte aufgerechnet werden können, noch nicht verjährt war. Der BGH wies darauf hin, dass die Parteien in Mietverhältnissen häufig Barkautionsabreden treffen, um Schadensersatzansprüche des Vermieters nach Ende des Mietverhältnisses abzusichern. Daher sei die Barkaution regelmäßig so auszulegen, dass der Vermieter auch nach Ablauf der Verjährungsfrist die Möglichkeit habe, durch Aufrechnung seine Schadensersatzansprüche zu befriedigen.
Im Streit stand auch, ob die Schadensersatzansprüche des Vermieters zur Aufrechnung geeignet waren, da es sich zunächst um Ansprüche auf Naturalrestitution handelte (also auf Wiederherstellung des früheren Zustands der Mietsache) und nicht um Geldforderungen. Erst durch die Ausübung der Ersetzungsbefugnis des Vermieters nach § 249 Abs. 2 BGB könne ein Geldanspruch entstehen. Der BGH stellte fest, dass die Ausübung dieser Ersetzungsbefugnis regelmäßig im Rahmen der Kautionsabrechnung erfolge und konkludent mit der Aufrechnungserklärung verbunden sei.
Das Berufungsgericht hatte die Aufrechnung des Beklagten für unwirksam erklärt, da dieser die Ersetzungsbefugnis nicht rechtzeitig innerhalb der Verjährungsfrist ausgeübt habe. Der BGH sah hierin einen Rechtsfehler. Er betonte, dass die Interessenlage der Parteien in einem Wohnraummietverhältnis regelmäßig dahin gehe, dass die Ersetzungsbefugnis des Vermieters im Rahmen der Kautionsabrechnung konkludent ausgeübt werde. Die Anwendung der Verjährungsregel des § 548 BGB dürfe daher nicht dazu führen, dass der Vermieter gezwungen werde, die Ersetzungsbefugnis isoliert und vorzeitig geltend zu machen.
Fazit
Der Bundesgerichtshof hob das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur weiteren Prüfung zurück. Die Entscheidung verdeutlicht, dass die Verjährung von Schadensersatzansprüchen des Vermieters im Rahmen eines Mietverhältnisses nicht zwangsläufig zur Unwirksamkeit einer Aufrechnung führt, wenn eine Barkautionsabrede besteht. Der Vermieter kann auch nach Ablauf der Verjährungsfrist im Rahmen der Kautionsabrechnung aufrechnen, sofern er die Ersetzungsbefugnis im Zusammenhang mit der Aufrechnungserklärung konkludent ausübt.