Gewerbemiete: Arztpraxis kann auf die Miete entrichtete Umsatzsteuer zurückverlangen, wenn die Option des Vermieters zur Steuerpflicht unwirksam ist, BGH, Urteil vom 28.07.2004, Az. XII ZR 292/02

Die Parteien stritten in diesem Fall im Rahmen eines gewerblichen Mietverhältnisses über die Rückzahlung der mit Miete entrichteten Mehrwertsteuer.

Die Beklagte vermietete in einem von ihr neu errichteten Gebäude Praxisräume mit Stellplätzen an die Radiologische Praxisgemeinschaft GbR, deren Mitglieder – darunter der Kläger – Ärzte waren. Im Vertrag wurde ein Nettomietzins von 17.749,77 DM festgelegt. Nach den weiteren Regelungen des Vertrages hatte die Mieterin außerdem eine bestimmte Nebenkostenvorauszahlung sowie anteilige Verwaltungskosten zu zahlen. Dort hieß es u.a.:

„Der Mieter hat neben dem Mietzins die jeweils gültige Mehrwertsteuer zu zahlen. Dies gilt auch für obige Nebenkosten und Verwaltungskosten. Der Mieter wird nach dem zehnten Vertragsjahr von der Zahlung der Mehrwertsteuer auf den Mietzins entbunden, sofern sie für ihn zu diesem Zeitpunkt nicht wegen einer Berechtigung zum Vorsteuerabzug zum durchlaufenden Posten wird. Die Verpflichtung zur Zahlung der Mehrwertsteuer auf die Nebenkosten bleibt jedoch bestehen.“

Diese Regelung war so zu verstehen, dass die Mieter während der ersten zehn Jahre des Mietvertrages Mehrwertsteuer auf den Nettomietzins einschließlich der Neben- und Verwaltungskosten auch dann zahlen sollten, wenn sie selbst nicht vorsteuerabzugsberechtigt sein sollten. Dies ergab sich aus dem insoweit eindeutigen Wortlaut des dritten Satzes der Klausel. Die Mehrwertsteuerpflicht der Vermietungsumsätze auf zehn Jahre entsprach dem Interesse der Vermieterin, die auf diese Weise die auf die Herstellungskosten des Mietobjekts bezahlte Mehrwertsteuer selbst wiederum als Vorsteuer nach Abzug der von ihr vereinnahmten Steuer auf ihre Vermietungsumsätze in vollem Umfang erstattet erhalten hätte.

 

Der BGH hat die Sache zurückverwiesen.  Das Berufungsgericht hätte nicht dahinstehen lassen dürfen, ob der Verzicht der Vermieterin auf die Steuerbefreiung nach der Übergangsvorschrift des § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG wirksam war oder nicht.

Angesichts der Steuerfreiheit der Ausgangsumsätze der Mieterin nach § 4 Nr. 14 UStG tritt dieser gewünschte steuerrechtliche Erfolg jedoch nur dann ein, wenn die Vermieterin aufgrund der Übergangsvorschrift in § 27 Abs. 2 Nr. 3 UStG (Beginn der Errichtung des Gebäudes vor dem 11. November 1993; Fertigstellung vor dem 1. Januar 1998) noch nach § 9 Abs. 1 UStG wirksam zur Steuerpflicht optieren konnte. Das Oberlandesgericht hat jedoch dahinstehen lassen, ob die Voraussetzungen für eine solche Option erfüllt waren oder nicht.

Bei Auslegung einer Individualvereinbarung ist nach §§ 133, 157 BGB vom Wortlaut auszugehen. Nach dem Wortlaut der Vereinbarung aber schuldet die Mieterin neben der Nettomiete die jeweils gültige Mehrwertsteuer. Ist jedoch der Vermietungsumsatz, wie vom Berufungsgericht angenommen, steuerfrei, existiert insoweit keine „gültige Mehrwertsteuer“. Ob ein Umsatz steuerpflichtig ist oder nicht, richtet sich allein nach dem Umsatzsteuergesetz. Die Parteien haben nicht die Möglichkeit, einen nach dem Gesetz steuerbaren, aber steuerfreien Umsatz durch Vereinbarung steuerpflichtig zu machen. Dies steht nicht zu ihrer Disposition. Eine gleichwohl getroffene Vereinbarung geht deswegen ins Leere, so dass sich die vom Berufungsgericht geprüfte Frage eines Verstoßes gegen § 134 BGB nicht stellt.

Praxistipp:

Damit später nicht über die Frage der Entrichtung der Umsatzsteuer auf Miete und Nebenkosten gestritten wird, empfehlen wir die entsprechenden Klauseln im Mietvertrag bereits bei dem Vertragsabschluss unter die Lupe zu nehmen. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Mieter selbst von der Leistung der Umsatzsteuer befreit ist. Ggf. kann aber auch die bereits entrichtete Umsatzsteuer zurückverlangt werden.

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